Ende …

Ende Juli 2021 habe ich mich intensiv mit Schlusspunkten und Enden beschäftigt. Auf die Thematik aufmerksam geworden bin ich wieder einmal, wie so oft in den letzten vier Jahren, durch meinen Zinkunterricht.

Kürzlich haben wir uns im Zinkunterricht mit der musikalischen Gestaltung eines längeren schnellen Laufes beschäftigt. Damit er sich nicht langweilig anhört, sollen Tempo und Spielfluss nicht gleichförmig vor sich hin tackern, sondern die Töne und die ganze musikalische Phrase idealerweise mit kleinen Anläufen, Verzögerungen oder sonstigen Tempoveränderungen abwechslungsreich perlen. Auch die Dynamik soll nicht immer gleichbleiben, sondern ebenfalls ständig leicht variieren. Zudem sind Kraft, Luft und Energie so einzuteilen, dass alles mindestens bis zum Ende des letzten Tones ausreicht. Insgesamt soll sich der Spannungsbogen bis zur Endnote und noch darüber hinaus erstrecken. Am Schwierigsten für mich war und ist die Gestaltung des Schlusstones. Das Timing passt oft nicht. Ich stolpere in den letzten Ton entweder zu schnell hinein, mache davor eine zu lange Pause, verliere mit zu viel Ritardando vorher insgesamt zu viel Tempo, erwische den Schlusston von der Intonation her nicht richtig, würge ihn zu früh oder lustlos oder genervt ab, gestalte das Ende zu abrupt, denke nicht über den letzten Ton hinaus weiter oder komme sowieso gar nicht am Ende an, weil ich schon vorher frustriert den Lauf abgebrochen habe, wenn sich wieder einmal Finger oder Doppelzunge oder auch beides vertüddelt hatten. Es ist ganz erstaunlich, wie lange und intensiv man sich mit ein paar wenigen Tönen beschäftigen kann.

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Kleinigkeiten

Ende Februar 2021 bin ich stolze Besitzerin eines der ersten echten „Gebhard-David-Zinken“ geworden. Die kleinen Unterschiede zu meinem alten Zink haben mich über Kleinigkeiten und ihre Auswirkungen nachdenken lassen:

Kleinigkeiten können unser Leben extrem beeinflussen. Das beginnt schon bei der Zeugung, wenn ein winziger Samen und eine mikroskopisch kleine Eizelle aufeinandertreffen, miteinander verschmelzen und unser Erbgut damit unwiederbringlich festgelegt ist. Unser Geschlecht ist abhängig von minikleinen X- und Y-Chromosomen. Später im Leben können kleine Zufälle unseren weiteren Lebensweg bestimmen. Wenn man in der Schule Pech hat und Unterricht hat bei einem Mathelehrer, der es nicht schafft einen für das Fach zu begeistern und mathematische Zusammenhänge so zu präsentieren, dass sie verstanden werden, kann sich unter Umständen die feste Überzeugung manifestieren, dass man Mathe nicht mag und nicht kann. Das ist mit anderen Fächern natürlich ebenso. Mit viel Glück erschließt sich einem vielleicht später einmal im Leben die Erkenntnis, dass Mathe, Geschichte, Poesie, Sport oder irgendein anderer ungeliebter Bereich doch auch seine Berechtigung hat und gar nicht so beängstigend, langweilig oder unverständlich ist.

Mit dem bloßen Auge nicht sichtbare Bakterien oder Viren können dazu führen, dass man erkrankt oder sich zumindest gesundheitlich beeinträchtigt fühlt. Ein klitzekleiner Splitter im Finger kann gemein schmerzen und sogar eine Entzündung nach sich ziehen. Weiterlesen „Kleinigkeiten“

falsch

Was ist falsch und was ist richtig? Gibt es ein richtiges dauerhaftes „falsch“? Bleiben Dinge immer richtig oder können sie auch mal falsch werden? Wer sagt einem, was falsch und was richtig ist? In diesen Zeiten (Januar 2021) rätselt man ja viel herum, z.B. ob es richtig ist eine Maske zu tragen und wenn ja, welche und wenn das geklärt ist, wie man sie richtig trägt und reinigt. Gut, dass ich das Zinken als Ausgleich habe, aber auch da gibt es Richtiges und Falsches:

Es gibt Dinge, die sind und bleiben falsch, egal wie man sie dreht und wendet. Das ist zum Beispiel in der Mathematik so.  2 + 2 = 4. Das ist unumstößlich richtig und das kann man auch beweisen. 2 + 2 = 5 ist dagegen eindeutig eine falsche mathematische Aussage. Leider ist es aber abseits der Mathematik nicht immer ganz einfach festzustellen, was falsch und was richtig ist.

Richtig war in den Augen vieler Menschen über lange Zeiträume hinweg die Annahme, dass die Erde eine flache Scheibe ist und die Sonne um sie kreist. In der Medizin war die Vier-Säfte-Lehre von der Antike bis ins 19. Jahrhundert hinein weit verbreitet. Weiterlesen „falsch“

genug

Muss man sich bevorraten und sicherheitshalber mehr von allem horten, als man tatsächlich braucht? Ist weniger mehr? Meine Zink-Unterrichtsstunde Anfang September 2020 hat mich mal wieder über so einiges zum Nachdenken gebracht:

Es gibt viele Dinge, von denen man nicht genug haben kann. Dazu gehören Liebe, Humor, Optimismus, Lebensfreude und Gesundheit. Bei all diesen Dingen gibt es keine Obergrenze und eine Beschränkung des Wachstums wird in der Regel wohl auch niemand freiwillig vornehmen. Es gibt auch viele Dinge, die man unbegrenzt an andere Menschen weitergeben kann wie z.B. Liebe, Humor, Optimismus, Lebensfreude, ein Lächeln, menschliche Wärme und positives Feedback. Auch hier gibt es keine Begrenzung und die Ressourcen scheinen sich auch nicht zu verringern sondern auf wundersame Weise zu vermehren, je mehr man davon abgibt.

Auf der anderen Seite gibt es aber auch viele Dinge, von denen man nur glaubt, nicht genug haben zu können.

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Flexibilität

Anfang Mai 2020 hat sich unser aller Leben durch die Corona-Krise stark verändert. Nach etwas mehr als sieben Wochen mit zum Teil massiven Einschränkungen hat die Belastung jedes Einzelnen stark zugenommen und ich nehme irritiert eine steigende Aggressivität bei ganz normalen Alltagsbegegnungen wahr. Auch ich selber fühle mich mittlerweile verunsichert von der sich ständig verändernden und zum Teil widersprüchlichen Lage. Hier mein Versuch, damit irgendwie umzugehen:

Seit bald drei Jahren habe ich mittlerweile Zinkunterricht und plage mich seitdem mit den Tücken des Instrumentes herum. Es gibt ein paar unumstößliche Wahrheiten beim Zinken. Eine davon lautet: „irgendwas ist immer“. Beim Zinken spielen unglaublich viele einzelne Faktoren zusammen und die kleinste Störung von auch nur einem dieser Faktoren wirkt sich augenblicklich und unmittelbar auf das Klangergebnis aus. Um einen perfekten Klang zu erzielen kommt es u.a. an auf die Feuchtigkeit der Lippen, ihre Geschmeidigkeit, Unversehrtheit und Spannung, den richtigen Ansatzpunkt, -druck und –winkel des individuell am besten geeigneten Mundstückes, die für jeden einzelnen Ton etwas andere Ausformung des Mundraumes und der Gaumenhöhle, die richtige Luftführung in Bauch- und Brustraum, die vorteilhafteste Luftmenge, das abgestimmte Maß an Spannung bzw. Entspannung im Brustraum, die richtige Fußstellung eine insgesamt schwingende oder schwingfähige Körperhaltung bis hin zu diversen differenzierten Artikulationstechniken.

Man könnte Zinken auch als eine Art Praxis im Dauer-Troubleshooting bezeichnen. Weiterlesen „Flexibilität“

Farben

Mitte Juli 2019 war der Sommer in Norddeutschland ziemlich trist und grau. Das hat mich über bunte Farben nachdenken lassen:

In seinem Buch „Der einarmige Pianist“ beschäftigt sich Oliver Sacks mit der Wirkung von Musik auf das Gehirn. Neben vielen anderen erstaunlichen Dingen beschreibt er das Phänomen, dass einige Menschen Musik nicht nur hören sondern auch als Farben wahrnehmen. Dabei sind wohl die unterschiedlichen Farben einzelnen Tönen oder auch Tonarten unveränderlich zugeordnet. Beim Zinken muss ich häufig frustriert anhören, dass meine Intonation noch nicht so wirklich stimmig ist. Ich stelle mir vor dass es doppelt entmutigend sein muss, wenn ich nicht nur höre, dass beispielsweise das b mal wieder zu tief ist, sondern ich das auch noch automatisch mit einem farblichen Misston visualisiere. Weiterlesen „Farben“