Der Zink und die Wissenschaft

meine zweite Zinkgeschichte, entstandenen im Dezember 2017. Einige wichtige Dinge im Leben bringe ich hier zusammen: den Zink, Wein und Chemie:

Unser jüngster Sohn hat sich entschieden, Chemie zu studieren. Da meinem Mann und mir die Naturwissenschaften immer eher unzugänglich geblieben sind, finden wir diese Entscheidung etwas befremdlich. Für mich ist unverständlich, wie man sich freiwillig intensiv mit so etwas wie Chemie beschäftigen möchte. Bei der Fragestellung, von wem unser Sohn diese absonderliche Neigung wohl haben mag, ist mir dann aber aufgefallen, dass ich selber anscheinend doch auch über ein gewisses Maß an wissenschaftlichem Denken verfüge. Ich habe nämlich quasi ohne es zunächst als solches einzuordnen, eine improvisierte wissenschaftliche Versuchsreihe gestartet. Sie läuft noch und ich bin auf das Ergebnis sehr gespannt.

Begonnen hat alles damit, dass ich vor etwas über einem halben Jahr angefangen habe, ein weiteres Instrument zu lernen, den Zink. Dieser war bis hin zum frühen Johann Sebastian Bach weit verbreitet, geriet dann aber in Vergessenheit. Zu Unrecht wie ich finde, denn der Klang ist wunderschön rein und klar. Voraussetzung ist allerdings, dass man die Technik beherrscht. Der Ansatz und das Anblasen des Instrumentes sind höllisch knifflig. Mir gelingt es mittlerweile immerhin schon meistens, ein paar zusammenhängende Töne hervorzubringen. Die Geräusche die ich erzeuge, haben mit meiner Vorstellung eines lockeren, leichten und klaren Klanges allerdings noch sehr wenig zu tun und das, obwohl ich zu meiner eigenen Überraschung tatsächlich ganz konsequent fast täglich übe. Ich arbeite noch hart an einer gewissen Lockerheit und Gelassenheit dem Instrument gegenüber.

Vor ca. zwei Wochen sind mein Mann und ich nach einem stressigen Arbeitstag aus Versehen zum Italiener essen gegangen noch bevor ich geübt hatte. Ich habe das Üben dann nach dem Essen natürlich sofort noch nachgeholt und es lief super. Ich war ganz begeistert! Um das gute Klangergebnis verlässlich reproduzieren zu können, habe ich hinterfragt, was denn an diesem Abend anders war und habe folgende Parameter aufgelistet:

  1. leckere hausgemachte Pasta mit Zucchini und Tomatensoße
  2. ein Glas (0,2 l) Rotwein der Traubsorte Primitivo zum Essen
  3. ein Glas (0,02 l) Grappa Chardonnay nach dem Essen
  4. zehn Minuten Laufen an der frischen Luft

Es galt nun das weitere Vorgehen zu planen und zu ermitteln, welcher der Faktoren das gute Klangergebnis begünstigt hat oder ob ein Zusammenspiel mehrerer Parameter gegeben sein muss. Zunächst sind die Faktoren daher isoliert anzuwenden und die jeweiligen Klangergebnisse zu protokollieren. Anschließend können dann jeweils zwei Parameter gekoppelt werden, dann drei und am Ende der Versuchsreihe alle vier.

Vorbereitungen für den unter Nr.1 genannten Faktor sind aufwändig und nicht ad hoc zu realisieren, da das Rezept zu ermitteln ist und nach Erwerb einer Nudelmaschine und hochwertiger Zutaten dann zunächst Fertigkeiten in der Herstellung hausgemachter Pasta zu entwickeln sind. Grappa Chardonnay (Nr. 3) wäre in größerem Umfang zu beschaffen und die Wetterlage ist Ende November/Anfang Dezember sehr ungemütlich, so dass ich die Prüfung des Einflusses von Faktor Nr. 4 auf eine geeignetere Jahreszeit verschieben möchte.

In unserem Weinbestand haben wir noch ein paar Flaschen Primitivo, so dass ich entschieden habe, mit meinem Versuch unter isolierter Betrachtung und Bewertung des unter Nr. 2 genannten Faktors umgehend zu beginnen.

Die ersten drei Abende war das Klangergebnis nach dem Genuss von jeweils 0,2 l Primitivo sehr ansprechend. Es drängten sich dann jedoch relativ schnell zwei weitere Arbeitshypothesen mit den Fragestellungen auf, ob

  1. sich der Klang bei kontinuierlicher Steigerung der Weinmenge ebenso kontinuierlich verbessern lässt
  2. die Qualität des Weines einen Einfluss hat auf die Qualität des Klanges

Mein Mann hat mehrere vielversprechende, qualitativ hochwertige Primitivos bestellt. Bis zur Lieferung führe ich die Versuchsreihe weiter, indem ich alle drei Tage die Menge des zu mir genommenen Weines um 0,1 l steigere. Zu beobachten ist, dass die Klangergebnisse in keinem logischen Verhältnis zu stehen scheinen zu der Menge des Weinkonsums. Eine durchgehende Steigerung der Klangqualität ist nicht feststellbar. Es gibt Tage, an denen ich gar keinen Ton hervorbringe und andere, an denen es richtig super läuft. Gestern zum Beispiel war ich nach erstmals 0,7 l Primitivo sehr zufrieden mit der Musik, die ich gemacht habe. Allerdings fragte mein Mann mich heute Morgen, warum ich denn gestern Flöte gespielt habe und ob ich jetzt etwa meine Experimente auch noch auf mein Flötenspiel ausweiten wolle.

Ich breche die laufende Versuchsreihe hinsichtlich der Steigerung der Weinmenge ab, da eine Weiterführung nicht erfolgversprechend erscheint. Vorgestern wurden mehrere Kisten mit den verschiedenen Primitivos geliefert, so dass ich heute Abend beginnen kann zu erforschen, inwieweit zwischen der Qualität des Weines und der Qualität des Klanges ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Ich bin sehr gespannt und erwarte vielversprechende Ergebnisse

Bald ist Weihnachten und unser Sohn kommt nach Hause. Er wird von seinen Versuchen mit ätzenden Säuren und kontrollierten Explosionen im Chemielabor ausführlicher berichten, als das über WhatsApp möglich ist und ich werde im Gegenzug meine Versuchsreihe schildern. Ich strebe eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit ihm an. Möglicherweise lässt sich durch gezielte chemische Behandlungen des Klangkörpers die Klangqualität des Zink noch spürbar verbessern. Ich denke da zum Beispiel an zusätzlich eingeätzte Schalllöcher oder ähnliches. Oder vielleicht sollte man als Zinkenist den Primitivo auch gar nicht innerlich anwenden sondern äußerlich am Zink. Bei der Betrachtung der Wirkung von Alkohol auf das Instrument und nicht auf den Instrumentalisten eröffnen sich noch wieder weite, nach meinem Wissensstand bisher noch unbearbeitete Forschungsgebiete.

Ich bin sicher, dass mein Zink Lehrer sich freut und sehr dankbar ist, wenn er sein Leihinstrument mit auf chemischem Wege optimierter Klangqualität von mir zurückerhält. Auf jeden Fall werde ich aber die begonnene Versuchsreihe akribisch und konsequent bis zum Ende weiter betreiben. Die Ergebnisse werden dann in der entsprechenden Fachliteratur nachzulesen sein. Zudem spiele ich tatsächlich mit dem Gedanken, vielleicht doch mal als Gasthörer Chemie-Vorlesungen zu besuchen um noch weitere Impulse für spätere Forschungen zu erhalten.

Ich muss zugeben, dass Naturwissenschaften doch ganz interessant sein können.

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