Im Sommer habe ich zusammen mit einer jungen Kollegin ein Büro neu bezogen. Wir haben eine schöne neue, hellgraue Büroausstattung bekommen, die Regale schnell füllen können mit unseren bunten Akten und haben Bilder an die Wände gehängt für ein bisschen Wohlfühlatmosphäre. Mitten im Kalenderjahr konnten wir aber leider keinen vernünftigen Wandkalender mehr bekommen und haben bis Ende November wirklich gelitten bei der täglichen Ansicht des unübersichtlichen kleinteiligen Kalenders, der noch vorrätig war und den wir übergangsweise aufhängen mussten. Endlich wurde es Dezember und wir haben sofort die Notlösung für 2019 abgenommen und den Kalender für 2020 im gewohnten übersichtlichen Design aufgehängt. Nun erfreuen wir uns jeden Tag an dem klaren Anblick. Es ist schon erstaunlich, mit wie einfachen Mitteln man uns als Verwaltungsbeamtinnen glücklich machen kann.


Mich hat das zum Nachdenken gebracht, woher wohl meine Vorliebe für eine klare Formensprache und ein schlichtes Design stammt. Mir ist schnell bewusst geworden, dass ich mit einfachem aber pädagogisch wertvollem Spielzeug in klaren Farben und Formen aufgewachsen bin. Das hat mich scheinbar nachhaltig geprägt wie z.B. auch die Figuren und Bilder von Dick Bruna in ihrer Schlichtheit und Klarheit:

Auch heute brauche ich in der Regel keinen Firlefanz, Tüddelüt oder niedliche aber völlig überflüssige und verstaubende Stehrümchen auf der Fensterbank. Erstaunlich eigentlich, dass ich beim Zinken immer noch vor allem auf das ganze Drumherum fokussiert bin: die missglückte Anfangssequenz, den verunglückten Tonanfang, das schwammige und undefinierte tiefe F, das wegbröckelnde Tonende, die Artikulationstechnik „Doppelzunge“, die ich immer noch nicht zufriedenstellend beherrsche usw. Auf diesen ganzen Firlefanz kommt es ja eigentlich gar nicht an. Wie schön und beglückend ist es doch, einfach alleine eine schöne Melodie zu spielen, oder zu zweit, zu dritt oder in einem kleinen oder größeren Ensemble zu musizieren oder sogar – alle Jahre wieder – zu Weihnachten in einem großen Spontanorchester mit anderen musikbegeisterten Menschen Weihnachtslieder zu spielen. Es geht im Kern um die Musik und nicht um die holprige Doppelzunge.
Vor einiger Zeit war ein junger Mann aus Serbien für gut zwei Jahre als Gast Teil unserer Familie. Im Sommer vor drei Jahren waren wir zu seiner Hochzeit in Serbien eingeladen. Bei unserer Ankunft in Belgrad mussten wir leider feststellen, dass unser Gepäck den Anschlussflug in Frankfurt verpasst hatte und nicht mitgekommen war und so saßen wir am Vorabend der Hochzeit bei 40 °C im Schatten völlig verschwitzt in unserer etwas schmuddeligen aber bequemen Reisekleidung bei seiner Familie im Garten. Die Hilfsbereitschaft, Gastfreundschaft und Fürsorge der Familie und aller Nachbarn und Freunde waren überwältigend. Uns wurde schnell klar, dass es ja auch gar nicht darauf ankommt, was für Klamotten wir anhaben, ob der Nagellack zum Outfit passt oder wir nach einer kurzen Dusche mit geborgtem Duschgel ungewohnt nach Apfel duften. Sicher, man fühlt sich in den eigenen Sachen natürlich wohler als in geliehenen und es hat auch alles noch ein glückliches Ende genommen, weil unsere Koffer eine gute Stunde vor der Trauung noch rechtzeitig ankamen. Aber es ging darum, dass wir überhaupt da waren, mitgefeiert haben und uns zusammen mit allen anderen Gästen für das junge Paar freuen und ihnen alles Glück dieser Erde wünschen konnten.
Auch jetzt in der Vorweihnachtszeit tut es manchmal ganz gut, innezuhalten inmitten bunt blinkender Rentiere in den Vorgärten, fröhlich beschwipster, dabei aber aufdringlich lauter Weihnachtsmarktbesucher, der Dauerberieselung durch „Last Christmas“ und dem alljährlichen Geschenkestress. Innehalten und spüren, um was es im Kern eigentlich geht. Dann leuchtet zwischen all dem Firlefanz und Tüddelüt mit aller Klarheit die eigentliche Botschaft deutlich hervor: Licht und Liebe!

Oder wie meine Yoga Meisterin es ausdrücken würde: lächeln und atmen.