Erfolgsindikatoren

einige Techniken aus der Verwaltung funktionieren auch wunderbar beim Erlernen eines Musikinstrumentes. Hier meine Experimente dazu im Februar 2018:

Mein derzeitiges Tätigkeitsgebiet in der öffentlichen Verwaltung umfasst unter anderem die Bewilligung von Zuwendungen für Projekte. Im Zuge einer sparsamen  und wirtschaftlichen Haushaltsführung ist es geboten, öffentliche Gelder nur für Projekte auszugeben, die auch einen tatsächlichen Nutzen für unser Gemeinwesen haben. Daher ist es sinnvoll und richtig, dass die Qualität der durchgeführten Projekte evaluiert wird. Dies geschieht anhand von Erfolgsindikatoren und dem Abgleich von vorgegebenen Zielzahlen mit den tatsächlich im Verlaufe des Projektes erreichten Werten. Das Definieren geeigneter Indikatoren erfordert ein hohes Maß an Kreativität, da bei vielen Projekten die Qualität der geleisteten Arbeit in keinerlei Relation steht zu einfach zu erhebenden Werten wie etwa der Teilnehmerzahl oder der Stückzahl von hergestellten Produkten.Beispielhaft sei hier der über eine Zuwendung finanzierte Betrieb der „Beratungsstelle für Betroffene von Menschenhandel und Zwangsprostitution“ (BBMeZ) zu betrachten. Um gegen Menschenhändler vorgehen und im Idealfall Haftstrafen erwirken zu können, sind Polizei- und Justizbehörden zwingend auf belastbare Aussagen von Opferzeugen angewiesen. Im Klartext bedeutet dies, dass Opfer von Menschenhändlern in allen Bereichen ihres Seins gestärkt, stabilisiert und unterstützt werden müssen, damit sie glaubwürdig als Zeugen aussagen und so die Grundlage für ein erfolgreiches Strafverfahren legen können. Diese unverzichtbare und vielschichtige Beratungs- und Unterstützungsarbeit leisten die Mitarbeiterinnen von BBMeZ.

Das Ziel des Projektes ist damit klar definiert. Die Darstellung des Projektes anhand der Fallzahlen wäre allerdings irreführend. Strafverfahren erstrecken sich in der Regel über viele Monate, einige verlaufen dann trotz aller Anstrengungen doch im Sande. Im Schnitt eine Verurteilung alle zwei Jahre ist ein großer Erfolg. Die sich daraus ergebende Zielzahl von 0,5 Fällen pro Jahr erweckt allerdings auf den ersten Blick einen eher negativen Anschein. Zu entwickeln waren also andere geeignete Indikatoren, mit denen sich das Projekt positiv darstellen lässt. Wir haben letztlich Erfolgsindikatoren vereinbart, die mittelbar Einfluss haben und damit Rückschlüsse zulassen auf die Qualität der Betreuungsarbeit wie z.B. die Anzahl der fachbezogenen Fortbildungen je Mitarbeiterin, die Teilnahme an örtlichen und überörtlichen Netzwerktreffen oder die Anzahl von fachlichen Beratungen von anderen Akteurinnen und Akteuren in der Szene. Im Ergebnis wird nun durch das erhobene Zahlenmaterial das überaus sinnvolle Projekt nachhaltig erfolgreich dargestellt.

Meine erworbenen Fähigkeiten bei der Entwicklung von individuellen Indikatoren, mit deren Hilfe der Erfolg eines Projektes positiv abgebildet wird, kann ich nun ganz unerwartet auch in meinem Privatleben nutzen.

Vor fast neun Monaten habe ich ja das Projekt „Zink-Lernen“ angefangen. Ziel des Projektes ist, dass ich mittelfristig in der Lage bin, in annehmbarer Klangqualität und mit sauberer Intonation eine beliebige Melodie zu spielen. Derzeit befinde ich mich noch am Beginn des Entwicklungsprozesses und arbeite daran, den einen Ton, den ich schon spielen kann, einigermaßen stabil zu halten und die Klangqualität nach Möglichkeit zu optimieren. Mein Lehrer hatte mir zu Beginn des Projektes prognostiziert, dass das Zink-Spielen alles andere als einfach ist und die Ausformung eines schönen Klanges als Voraussetzung für weitere Entwicklungsschritte etwa ein Jahr dauern kann. So ein Jahr wird dann aber doch ganz schön lang, wenn man immer nur einen Ton spielt. Ich habe aktuell einen deutlichen Motivationseinbruch zu verzeichnen, zumal ich bei einer für mich schwierigen Übung zur Verbesserung des Klanges keinerlei Fortschritte feststellen kann.

Zur Überwindung meiner Motivationskrise werde ich nun abseits der subjektiven Wahrnehmung der Klänge, die ich erzeuge, objektiv messbare Werte ermitteln und darstellen, mithin also eine erfolgreiche Technik aus meiner Arbeitswelt anwenden.

Eine Melodie zu spielen scheint noch in sehr weiter Ferne zu sein. Daher habe ich zunächst einmal das, was ich im Augenblick tatsächlich mache, offiziell als  Zwischenziel deklariert: den Ton „g“ in guter Klangqualität spielen. Um mich positiv zu bestärken habe ich keine negativ behafteten Indikatoren gewählt (Anzahl meiner Kraftausdrücke während des Übens oder Grad der Mitleidsbekundungen meines Mannes auf einer Skala von 1 – 10, wenn ich mit hängenden Schultern und gesenktem Kopf aus meinem Übe-Zimmer schleiche). Vielmehr setze ich auf zunächst einmal drei gut messbare positive Indikatoren, bei denen ich zudem eine baldige Verbesserung der von mir erreichten Werte erwarte.

Als ersten Indikator für die Klangqualität definiere ich die Länge des gehaltenen Tones „g“. Ein Stimmgerät besitze ich nicht. Auf meinem Smartphone habe ich mir aber eine entsprechende App installiert und kann, wenn ich gleichzeitig noch eine Uhr mit Sekundenzeiger im Blick habe, messen, wie lange ich den Ton konstant in einer Höhe halten kann.

Dann gilt es ja nach wie vor, das Volumen der Mundhöhle weiter zu vergrößern um dadurch die Möglichkeiten für die Gestaltung des Klanges entscheidend positiv zu beeinflussen. Das Volumen meiner Mundhöhle kann ich ganz einfach messen indem ich mich nach dem Üben zunächst wiege, dann so viel Wasser wie möglich in den Mund nehme, mich erneut wiege und die Differenz, also das Gewicht und damit das Volumen des aufgenommenen Wassers errechne.

Als drittes ist es ja für die Klangqualität wichtig, dass ich mich tief in Schrittstellung bewege. Im Schuppen haben wir noch einige leere Kartons der Weinsorte Primitivo. Ich klebe drei übereinander und befestige einen DIN/A3 Zeichenblock in Höhe meines linken Knies an der Vorderseite des Stapels. In einem Schrank habe ich eine alte medizinische Kniebandage von einem meiner Söhne gefunden an der ich einen schwarzen Edding waagerecht befestige. Wenn ich die Bandage nun überziehe und mich in Schrittstellung bewege, markiert mein Knie mit Hilfe des Eddings seine Bewegungen auf dem Blatt Papier. Ziel wird es sein, hier dauerhaft in einem möglichst großen Bereich Spuren zu hinterlassen. Daher ziehe ich einen Kreis um alle Markierungen einer Übungseinheit und bestimme seinen Durchmesser.

Alle erreichten Werte werde ich nach jedem Üben in eine Excel-Tabelle eintragen und in einem Liniendiagramm graphisch darstellen. Die X-Achse bildet dabei die Zeitschiene, auf der Y-Achse werden die drei Werte (Länge des gehaltenen Tones, Gewicht des Wassers und Durchmesser des Kreises, in dem mein Knie Markierungen hinterlassen hat) abgebildet. Ich erwarte in allen drei Bereichen eine baldige und signifikante Steigerung meiner Werte, damit den Nachweis einer objektiv gemessenen Qualitätssteigerung und dadurch insgesamt einen deutlichen Motivationsschub.

Mit meinem methodischen Vorgehen bin ich zukunftsweisend aufgestellt und für künftige Modifizierungen offen. Sollte mein Lehrer weitere Zwischenziele definieren wie zum Beispiel  einen zweiten Ton, Dynamik oder Artikulation kann ich nach Belieben zusätzliche Indikatoren bilden und meine Fortschritte auch weiterhin graphisch darstellen. Ich gehe davon aus, dass die nach oben steigenden Linien im Diagramm meine Motivation nachhaltig verstetigen werden.