Meine jüngere Schwester ist Cellistin und lebt in Amsterdam. Ihr Streichquartett EnAccord hat eine CD produziert und Familie und Freunde der Quartettmitglieder waren am letzten Wochenende zu einer Veranstaltung geladen, in der Auszüge aus dem Programm vorgestellt, Dankesreden gehalten und anschließend bei Sekt, Wein und Canapés die CD Produktion gefeiert wurde.
Abseits der üblichen Mozart-Beethoven-Brahms Literatur für Streichquartett waren die vorgestellten Stücke aus der CD eine echte Entdeckung. Es waren ein paar Perlen dabei (z.B. „La Oraciòn del Torero“ von J. Turina oder „Fünf Stücke für Streichquartett“ von E. Schulhoff) und das Quartett hat mit beeindruckender Leichtigkeit, Souveränität und Spielfreude musiziert.
Bei Konzerten achte ich mittlerweile auf andere Dinge als noch vor einem Jahr. Das richtet sich jeweils danach, was bei mir selber gerade so im Fokus meiner Aufmerksamkeit beim Zink-Üben steht. So kostet es mich zum Beispiel manchmal immer noch ein wenig Überwindung, über das Aktivieren von Gesichtsmuskulatur den Klang zu beeinflussen. Vereinfacht ausgedrückt bedeutet das zum Beispiel, dass der Ton höher wird, wenn ich die Augen noch weiter aufreiße als sowieso schon beim Zinken, dann noch die Stirn runzele, die Nasenwurzel breiter werden lasse und die Nasenspitze gedanklich hochklappe. Da der Zink ja aber ein Blasinstrument ist, erscheint es mir irgendwie noch erklärlich, dass eine Veränderung des Mundraumes einen direkten Einfluss hat auf den Klang des erzeugten Tones. Spannend fand ich beim Beobachten der Musikerinnen, dass anscheinend auch der Klang eines Streichinstrumentes durch entsprechende Gesichtsakrobatik verändert werden kann.
Beim anschließenden Sekt und Wein gab es zunächst den üblichen Sprachenwirrwarr von Deutsch, Niederländisch und Englisch der irgendwann darin gipfelte, dass meine Schwester mich auf Niederländisch ansprach woraufhin ich Ihr auf Englisch antwortete, sie könne gerne auch Deutsch mit mir sprechen. Im Verlaufe des geselligen Beisammenseins habe ich mich dann überall als stolze ältere Schwester vorgestellt und häufig kam das Gespräch darauf, ob ich denn auch Musik mache. Mit meinen klassischen Instrumenten Klavier, Blockflöte und Bratsche konnte natürlich in diesem Kreis von musikinteressierten Menschen jeder etwas anfangen. Bei Krummhorn, Pommer und Cornamuse (wie heißt das bloß auf Englisch?) wurde es schon schwieriger. Ein Verweis auf Heinrich VIII hilft aber erfahrungsgemäß in solchen Situationen immer ganz gut weiter hinsichtlich der ungefähren zeitlichen Einordnung der Musik, die ich mit diesen Instrumenten so mache.
Etwas befremdlich wurde es immer dann wenn ich erwähnte, dass ich seit letztem Jahr den Zink erlerne. Von diesem Instrument hatten auch unter dem Namen Cornetto nur einige wenige der Gäste, von denen viele eben auch Musiker waren, überhaupt schon mal gehört. Eine genaue Vorstellung was das ist, hatte aber keiner so wirklich. Schade eigentlich, denn der Zink hat einen unnachahmlich wunderbaren Klang, wenn man das Instrument denn beherrscht.
Zuhause bei meiner Schwester hatte ich meine beiden Klavier und Cello spielenden Nichten im Alter von 8 und 11 Jahren schon ausgiebig zum Lachen gebracht mit meinen Geschichten vom Zink-Üben und dass ich nach nunmehr acht Monaten immerhin schon einen Ton spielen kann, das „g“. Diese Geschichten wollte ich aber im Kreise der Veranstaltung nun doch nicht zum Besten geben und habe die Gespräche lieber auf einen weiteren offensichtlichen und ganz lebenspraktischen Vorteil des Zink Lernens gebracht und meine Fertigkeiten dabei dann auch ausgiebig demonstriert.
Beim Zinken ist es ja wichtig, das Volumen der Mundhöhle maximal auszunutzen. Wieder kurz und ganz vereinfacht gesagt (mein Lehrer möge mir das verzeihen): je größer, runder und flexibler der Mundraum desto runder, schöner und facettenreicher der Klang. Durch mein bisheriges Üben habe ich meine Kiefergelenke jedenfalls schon ganz gut gelockert und gedehnt.
Bei der Feierstunde des Quartetts wurden nun vom Caterer kleine Häppchen herumgereicht. Ein besonderer Leckerbissen waren Blätterteigschiffchen die verschwenderisch mit Meerrettich-Sahne gefüllt und hoch mit Forellenstückchen belegt waren. Diese Häppchen waren allerdings nicht ganz so klein wie die übrigen Canapés und viele der Anwesenden hatten Mühe sie zu essen ohne dabei zu krümeln, Sakko oder Kleid zu bekleckern oder sich zumindest die Finger zu beschmieren. Nach nur achtmonatigem Zink-Üben habe ich dagegen die Blätterteigschiffchen mit Leichtigkeit und Eleganz in einem Happen verspeist und hätte in der Mundhöhle noch locker Raum gehabt für jeweils ein zweites Häppchen auf Vorrat. Ich glaube, die Mehrzahl der Gäste war recht beeindruckt von meinen Vorführungen. Vielleicht kann ich meine Schwester überreden, beim nächsten Event diese kleinen runden Mini-Pizzen zu reichen oder halbe Äpfel oder Spanferkelstückchen, dann könnte ich diesen besonderen Vorteil des Zink-Spielens zukünftig noch bedeutend wirkungsvoller in Szene setzen und so bei den Freunden klassischer Musik den Bekanntheitsgrad des Zink deutlich erhöhen.