Seit einem guten halben Jahr erlerne ich ein Musikinstrument: den Zink. Im richtigen Leben bin ich Verwaltungsbeamtin und bewege mich 40 Stunden in der Woche in einem behördlichen Umfeld. Die musikalische Welt, in die ich nun mit meinem Zink hineinschnuppere, ist eine komplett andere und das Hin-und Herwechseln zwischen beiden Welten ist tatsächlich in manchen Bereichen eine Herausforderung, zum Beispiel bei der Sprache.
So hat mein Zink Lehrer zu Beginn meiner letzten Unterrichtsstunde gefragt, wie es mir denn seit dem letzten Mal so ergangen ist mit meinem Instrument. Gedanklich noch verhaftet in der soeben konstruktiv und ergebnisorientiert geführten dienstlichen Besprechung antworte ich spontan:
„Na ja, ich beobachte da einen spannenden Entwicklungsprozess mit noch leicht verhaltener, sich aber verstetigender positiver Tendenz.“
Gebhard guckt mich verdutzt an und mir wird klar, dass es gerade an der Zeit ist, mich auf die andere Welt einzulassen. Daher übersetze ich meine Aussage wie folgt:
„Ich habe das Gefühl, dass ich komplett orientierungslos im Nebel umherirre und dabei ständig etwas verliere oder finde. Abhandengekommen war mir zwischenzeitlich das „g“, dafür sind mir die hohen Töne sogar bis zum „h“ hinauf ganz leicht zugefallen. Nur mit dem hohen „fis“ habe ich mich noch nicht anfreunde können, der Ton scheint ganz schön kraftraubend zu sein. Den Halbtonschritt vom hohen „cis“ zum „d“ habe ich nicht ein einziges Mal sauber hinbekommen. Im Dezember ist mir außerdem ständig wunderbare Musik begegnet und ich habe mich dazu hinreißen lassen, einige Melodien zu spielen. Zum Teil klang das schon richtig schön, aber dann habe ich gemerkt, dass ich jegliche dynamische Möglichkeit verloren habe. Ich habe nur noch laut spielen können. Ich weiß auch gar nicht, wie ich die Melodien eigentlich hinbekommen habe, denn Stütze und Lippenspannung habe ich nicht wirklich eingesetzt und wohl auch insgesamt wieder mit zu viel Druck und Luft gearbeitet. Ich habe mich klangtechnisch also irgendwie in eine Sackgasse manövriert. Deshalb bin ich am Neujahrstag sozusagen vorgerückt auf „Los“ und habe mich aufs Neue ganz von Anfang an tapfer in den Nebel hineingewagt. Seitdem sind zwar die ganzen Melodien verschwunden und ich spiele wieder nur einzelne lange Töne, aber dafür habe ich bislang Stütze, Lippenspannung und Hauchen unterwegs nicht verloren und die Dynamik wieder dazugewonnen. Außerdem versuche ich beim Spielen immer an das Motto „Weniger ist Mehr“ zu denken, das scheint für mich beim Zinken ganz gut zu passen. Ich bin also, glaube ich, auf einem guten Wege und versuche gerade einen sehr fein gestalteten Klang zu entwickeln. Die ersten Ansätze dazu gelingen mir schon manchmal ganz vielversprechend. Das fühlt sich jetzt alles gut und stimmig und richtig an.“
Okay, sagt Gebhard, damit können wir heute arbeiten. Und das tun wir dann auch.
Ich muss nur unbedingt dran denken wieder zurück in meine Behördensprache zu wechseln, bevor ich gleich nach dem Unterricht in die wichtige Besprechung mit dem Staatsrat gehe. Sonst guckt der mich nachher ganz verdutzt an wenn ich ihm einige finanzielle Entwicklungen erläutere. Ich glaube, bei einer seriösen Präsentation meines Zahlenmaterials sollte ich Umschreibungen wie „Umherirren im Nebel“ besser vermeiden.