Baustellen

beim Zinken bin ich Ende März 2018 immer noch auf einer Baustelle:

Aus meinem Bürofenster blicke ich auf ein langweiliges Oberdeck eines Parkhauses in Bremen. Wenn ich mir bei meinen Kollegen auf der anderen Flurseite unseres Bürokomplexes einen Kaffee abhole genieße ich deren spektakulären Ausblick auf eine Großbaustelle. Dort tut sich ständig etwas. Eine Vielzahl von behelmten Bauarbeitern ist immer in Bewegung, drei große Kräne drehen sich und befördern Lasten nach oben und man kann am Ende jeder Woche die gemachten Baufortschritte deutlich erkennen. Manches gibt uns auch Rätsel auf: was macht zum Beispiel ein Kranführer, der mit meinen Kollegen aus der zwölften Etage so etwa auf Augenhöhe in seiner Kabine sitzt, wenn er mal zur Toilette muss?

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Die Implementierung der Baustelle hat anfangs zu einigen Verwerfungen und Irritationen geführt. Es gab Diskussionen über die Architektur und zu verändernde Verkehrsströme. Als die tiefe Baugrube gerade ausgehoben war, kam der Bau für eine längere Zeit zum Erliegen. Die an der Baustelle entlangführenden Straßenbahngleise haben sich gesenkt und eine Spur war zeitweise ganz gesperrt. Die auf der anderen Seite liegende Hochstraße drohte sich zu neigen. Da mussten dann die Experten zunächst überlegen, wie die Baugrube so gesichert werden kann, dass der geplante Neubau auf benachbarte Gebäude und Verkehrswege keinen negativen Einfluss ausübt.

Nachdem aber alle Schwierigkeiten zufriedenstellend gelöst werden konnten, geht es mit Riesenschritten voran und das Gebäude soll irgendwann in 2019 fertig sein.

In meinem Privatleben habe ich meine ganz eigene Großbaustelle: das Erlernen des Zinkspielens. Zu Beginn des Vorhabens habe ich zunächst sinnbildlich eine Baugrube ausheben müssen um mir in meinem durchgetakteten Alltag einen Freiraum als Fundament für meine Zink-Studien zu schaffen. Es gab durch mein Projekt einige vorhersehbare aber tatsächlich auch ein paar unerwartete Entwicklungen. Die Zeit für mein regelmäßiges Üben muss ich in meinen Tag einbauen, ich gehe neue Wege und lerne neue Menschen kennen.  Verändert hat sich aber zum Beispiel mein Hören und zu meiner eigenen Überraschung habe ich angefangen kleine Geschichten zu schreiben. Hauptsächlich über meine Erlebnisse mit dem Zink, zum Teil aber auch über ganz andere Aspekte des Lebens.

Bei meinem Projekt bin ich Architekt, Investor und eine Vielzahl von spezialisierten Bauarbeitern in Personalunion. Einen externen erfahrenen Bauleiter, der schon viele Zink-Baustellen erfolgreich begleitet hat, habe ich mir als Projektbetreuer an meine Seite geholt.

Grundsätzlich könnte man ja meinen, dass die Kommunikation einfacher ist, wenn der Bauleiter nur einen Ansprechpartner hat und nicht mit einer Vielzahl von unterschiedlichen Menschen umgehen muss. In der Praxis scheint das aber nicht unbedingt so zu sein, zumal die vielen Rollen in mir nicht wirklich reibungslos  Hand in Hand arbeiten. Der Architekt hat eine ganz genaue Vorstellung von dem Klanggebilde, das als Endergebnis meiner Zink-Studien erreicht werden soll. Die spezialisierten Bauleute, also einzelne Körperpartien und Muskelgruppen, die in komplex ineinander greifenden Bewegungsabläufen bestimmte Impulse weiterleiten sollen, laufen in der Regel unkoordiniert und kopflos durcheinander und begreifen entweder gar nicht, was sie denn eigentlich wann tun sollen oder können es nicht umsetzen. Der Bauleiter kommuniziert geduldig und situationsangemessen in unterschiedlichen Sprachen und Bildern mit den jeweiligen Spezialisten um ihnen irgendwie begreiflich zu machen, welche Bewegungen oder Abläufe sie ausführen und üben sollen und erinnert an bereits Erlerntes. Zwischendurch gilt es dann auch immer wieder, den äußerst unzufriedenen Architekten zu beschwichtigen, der mit seiner Ungeduld die Bauarbeiter blockiert, zusätzliche Verwirrung stiftet  und Fortschritte eher hemmt als begünstigt. Immerhin sind aber die Toilettenpausen relativ unkompliziert abzustimmen.

Sehr gespannt bin ich, ob meine persönliche Großbaustelle früher fertig ist als die, welche ich während meiner Kaffeepausen bei der Arbeit beobachten kann. Zuversichtlich bin ich aber, dass es mir nicht so gehen wird wie der Baustelle in Köln, wo im März 2009 das Stadtarchiv eingestürzt ist und wo es heute, neun Jahre später noch immer so aussieht:

Dieses Bild hat ein leeres alt-Attribut; sein Dateiname ist kc3b6ln-baustelle.jpg.
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