Lächeln

in dieser Geschichte kommt zwar kein Zink vor, er stand aber am Ausgangspunkt meiner Gedanken Ende April 2018:

Meine Yoga Lehrerin legt in Ihrem Unterricht sehr viel Wert auf eine positive und entspannte Grundhaltung und vor allem auf unser aller Lächeln. Wir loben uns in den Stunden häufig selber für unser Üben und lächeln uns innerlich immer wieder zu. Tatsächlich ändert sich dadurch etwas in mir. Manchmal fühle ich mich leicht und glücklich, während ich einfach nur entspannt lächelnd am Boden liege und atme. Mittlerweile habe ich auch gelernt, mir in komplizierten und absonderlich verdrehten Yogahaltungen zuzulächeln. Dadurch kann ich auch in merkwürdig anzusehenden Verrenkungen Ruhe, Harmonie und Glück erfahren.

Yoga ist ja nun – sofern man nicht Yoga Lehrer ist oder als Aussteiger in einem Ashram in Indien lebt – immer eine aus dem Alltag herausgelöste Situation. Die eigentliche Herausforderung besteht für mich darin, die Harmonie und die Leichtigkeit auch in meinem ganz normalen Leben als selbstverständliche Bestandteile zu integrieren. Dazu finde ich über den Aspekt des Lächelns überall Anreize und Gelegenheiten.

Am selbstverständlichsten lächelt man ja, wenn ein anderer Mensch einem zulächelt. Kritische Gesprächsatmosphären entspannen sich häufig spürbar, wenn ich meinem Gegenüber einfach mal ein Lächeln schenke. Die Reaktion der meisten Menschen erfolgt reflexhaft. Sie lächeln zurück und manchmal habe ich den Eindruck, sie finden dann eigentlich erst richtig in die Situation hinein, entspannen und verlangsamen sich ein bisschen und kommunizieren anschließend deutlich freundlicher. Bei den paar wenigen Menschen, die nicht auf mein angebotenes Lächeln reagieren, muss ich dann eben zu anderen taktischen Mitteln greifen um ein konstruktives Gespräch zu begünstigen.

Eine Zeitlang hatte ich beruflich viel am Telefon mit unzufriedenen Klienten zu tun. In einem Telefontraining habe ich gelernt, dass man ein Lächeln in der Stimme tatsächlich hören kann und dass sich eine freundliche Ausstrahlung in vielen Fällen auch über das Telefon auf den Gesprächsteilnehmer überträgt.  In der ersten Zeit nach der Fortbildung hatte ich an meinem Telefon am Arbeitsplatz einen kleinen Smiley kleben, der mich daran erinnert hat, beim Telefonieren mein Lächeln anzuknipsen. Mittlerweile habe ich das automatisiert und benötige den Smiley nicht mehr. Bemerkenswert finde ich es nach wie vor, dass man sein Lächeln tatsächlich mechanisch anschalten kann ohne es zunächst innerlich auch wirklich zu meinen und dass sich die positive Energie dann aber trotzdem entfaltet.

Auch in der Musik kann man ein Lächeln hören. Wenn ich die Wahl habe, ziehe ich Konzerte einer CD-Aufnahme vor, da sich die Energien der Musiker am besten in Life-Situationen unmittelbar, direkt und ungefiltert auf das Publikum übertragen. Es stört mich dabei gar nicht, dass einzelne schwierige Stellen, die auf einer CD mit höchster technischer Brillanz eingespielt werden können, im Konzert vielleicht mal nicht ganz so geschmeidig laufen. Wichtiger ist mir, dass die Musik mich berührt.

Vor einiger Zeit habe ich ein Konzert mit ein paar hervorragenden jungen Instrumentalisten in kleiner Besetzung gehört. Die positive und fröhlich entspannte Grundhaltung der Künstler, ihre Lust und ihre spürbare Freude am Zusammenspiel, am Gestalten so mancher Passage und am Zuwerfen musikalischer Bälle hat sich unmittelbar auf das Publikum übertragen, ein Lächeln auf alle Gesichter gezaubert und noch lange in mir nachgewirkt.

Gegenbeispiel war dann etwa zwei Wochen später ein Konzert eines weltberühmten älteren Cellisten, der vor ausverkauftem Saal sein Programm lieblos und gelangweilt abgespult hat. Ein musikalischer Funke ist nicht übergesprungen. Nach meiner Enttäuschung über seine mangelnde Wertschätzung dem Publikum, dem Orchester und der Musik gegenüber habe ich mein Lächeln nur schwer wiederfinden können.

In meiner Mittagspause versuche ich immer, ein paar Schritte an der frischen Luft zu gehen. Auf meinem Weg  komme ich fast jeden Tag an einem Akkordeonspieler vorbei, der mit viel Begeisterung und Leidenschaft aber mäßigem rhythmischem Gespür sein begrenztes Repertoire darbietet. Bei seinen Stücken weiß ich mittlerweile im Voraus, an welchen Stellen er immer wieder dieselben Fehler macht oder einen Spannungsbogen nicht halten kann und nach einer Pause vorzeitig und völlig gegen jeden Rhythmus wieder einsetzt. Da er aber alle Passanten wie beseelt von seiner Musik verzückt anlächelt habe ich meinen Impuls, ihn zumindest auf ein paar seiner gravierendsten Fehler aufmerksam zu machen, bisher erfolgreich unterdrücken können. Heute hat er Chim-Chim-Cheree aus Mary Poppins gespielt. Dieses Stück kann er richtig gut und zurück im Büro lächele ich bei der Erinnerung an seine beschwingte Interpretation immer noch vor mich hin.  

Neben dem Lächeln, das an andere Menschen oder eben auch an mich selber gerichtet ist, trainiere ich aktuell gerade mein Lächeln gegenüber unbelebten Gegenständen. In unserem großen Bürokomplex haben wir ein elektronisches Schließsystem. Unsere Schlüssel sind so codiert, dass wir Toilettenräume, Sitzungszimmer und natürlich das eigene Büro und die unserer Teamkollegen öffnen können, alles andere aber nicht. Jeder Schlüssel hat auf der Oberseite ein kleines Display mit einem Smiley. Wenn ich versuche, mir unbefugt irgendwo Zutritt zu verschaffen, verzieht der Smiley keine Miene aber wenn ich einen Raum aufschließen möchte, zu dem ich berechtigten Zugang habe, lächelt er mich an. Leider öffnet das Lächeln des Smiley nicht automatisch auch die Tür, ich muss schon noch den Schlüssel umdrehen und dabei blockiert in letzter Zeit immer häufiger das Schloss meiner eigenen Bürotür. Während der Smiley mir aufmunternd zulächelt stehe ich dann vor verschlossener Tür und kann sie nicht öffnen sondern nur mit Umdrehungen nach rechts immer weiter abschließen. Genervte Seufzer und Rütteln an der Türklinke führen zu keinem Ergebnis also versuche ich es seit ein paar Tagen mit einer neuen Taktik. Ich lächele freundlich und geduldig die Tür, die Türklinke und den Smiley auf meinem Schlüssel an, lächele auch mir selber zu und außerdem auch über mich, wie ich da vor der verschlossenen Tür stehe und alles daran setze, endlich wieder zu meinem Arbeitsplatz zurück zu gelangen um weiterzuarbeiten.

Meine Taktik hat sich bisher noch nicht als so erfolgreich erwiesen wie erwartet, allein durch meine positive Energie öffnet sich das Schloss nicht. Vielleicht bin ich aber im Innersten auch noch nicht wirklich entspannt genug in der Situation und muss das einfach noch weiter üben. Ein bisschen schmunzeln muss ich jetzt aber doch darüber, dass mein Kollege, mit dem ich das Büro teile und der dieselbe Herausforderung zu meistern hat wie ich, eine ganz andere, nicht so esoterisch sondern eher pragmatisch gefärbte Herangehensweise an die Problemlage gewählt hat. Er hat heute einfach mal den Hausmeister angerufen und der Zylinder unseres Schlosses wird morgen ausgetauscht. Immerhin habe ich aber das Lächeln meines Kollegen bei seinem Telefonat mit dem Hausmeister deutlich sehen und auch hören können. Es ist schön zu beobachten, wie das Lächeln sich in der Welt immer weiter ausbreitet.

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